„Skythe“ kann als kultureller und chronologischer Sammelbegriff für verschiedene antike nomadisch lebende Gruppierungen von Nordchina bis einschließlich Ostungarn angesehen werden. Auf jeden Fall ist er nicht gleichbedeutend mit einer einheitlichen Ethnie, als vielmehr ein Indikator einer im weitesten Sinne gleichartigen Sachkultur und Lebensweise zumeist reiternomadischer, schriftloser Stämme. Aufgrund der Ähnlichkeiten, die in den Fundlagen der skythischen Zeit besteht und nicht zuletzt wegen der raren literarischen Zeugnisse über diese Völkerschaften, ist eine präzise Trennung von z.B. Skythen, Saken oder Sauromaten kaum bzw. nicht möglich.

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Es ist nicht ganz einfach, zwischen den Begriffen „Skythen“, „Sarmaten“ und „Sauromaten“ zu differenzieren. Zunächst ist festzuhalten, dass sie – je nach modernem, wissenschaftlichem und antikem, historischem Gebrauch – unterschiedlich verwendet werden. Selbst innerhalb der modernen Wissenschaft hat sich teilweise keine einheitliche Handhabe durchgesetzt. So können „Skythen“ beispielsweise einen bestimmten, nomadischen Teilstamm im Bereich des Schwarzen Meeres zwischen dem 5. und 3. Jh. v. d. Z. bezeichnen oder auch für alle nomadischen oder teilnomadischen Stämme im eurasischen Steppengürtel stehen und somit z. B. auch die frühen Sarmaten und Sauromaten inkludieren. Hinzu kommt das Problem, dass uns durch antike Autoren zahlreiche weitere Stämme namentlich überliefert sind (z.B. Saken, Massageten, Agathyrsen, Skoloten, …), deren sozial-gesellschaftlicher Zusammenhang ebenso ungeklärt ist wie der Abgleich mit archäologisch nachweisbaren Kulturen.

Für die skythische Kultur typische Merkmale sind der Tierstil, der Grabkult der Führungsschicht, die Totenfolge im Rahmen des Bestattungsrituals und eine reiche Ausstattung der Grabanlagen mit realen oder symbolischen Besitztümern. Die Kurgane (Grabhügel) der Oberschicht sind dabei immer monumentaler und prächtiger ausgestattet, als die der einfachen Bevölkerung.

Neben chinesischen, persischen (assyrischen) und römischen Quellen sind vor allem griechische Texte nennenswert, die über die Skythen berichten. Wichtigster Autor ist wohl Herodot, dem wir heute vieles an Wissen über dieses Volk verdanken. Obgleich seine Berichte überzogen zu sein scheinen und auch oft ins Mythische abdriften, hat die Archäologie bisher einige seiner Beobachtungen stützen können. Nichtsdestotrotz ist die Quellenlage durch Schriften und Funde für die Skythen des 9. bis 3. Jahrhundert leider nicht sehr üppig und lässt vieles im Dunkeln, sodass man bei Rekonstruktionsversuchen oft auf Funde der Nachbarvölker wie Saken, Sarmaten oder Thraker angewiesen bleibt.

Die archäologisch nachweisbare Geschichte der Skythen beginnt ca. im neunten vorchristlichen Jahrhundert in Tuva/ Russland. In der Nekropole von Aržan finden sich zahlreiche Großkurgane, die von einem regen Kulturaustausch zwischen Tuva, China, der Mongolei, dem Kaukasus und dem Nordschwarzmeerraum zeugen. Von Tuva aus breitete sich die skythische Kultur ins Minusinsker Becken und den Altai aus.

Im Minusinsker Becken findet sich die sogenannte „Tagar – Kultur“, die durch Ecksteinkurgane gekennzeichnet ist. Ebenfalls kennzeichnend sind die zahlreichen Bronzebeigaben, die als „Minusinsker Bronzen“ in die Forschung eingegangen sind. Beginnend im 9. und 8. Jahrhundert endet die Tagar Kultur um 200 v. Chr , als die Tes Kultur diese verdrängt. Bei der Tagar Kultur muss man neben der Lebensweise als Nomaden auch von einem sesshaften Lebensstil ausgehen, wie Funde von Wehranlagen am Jenissei und ein Felsbild von Blockhäusern („Bojarskie pisanty“) beweisen.
Die skythische Kultur setzt sich schließlich mit den Eiskurganen im Berg- Altai fort (Pazyryk Kultur, 5. bis 3. Jh.v.Chr.). In einem der Kurgane aus dem 4./3. Jh. v. Chr. findet sich die Bestattung eines mongoliden Mannes, der skalpiert worden war, und einer europiden Frau. Ihnen waren viele reich ausgestattete und als Rentiere/ Hirsche „verkleidete“ Pferde beigegeben worden. Es fanden sich auch Reste von Hanfsamen, die auf die Nutzung dieser Pflanze zu berauschenden Zwecken hinweist. Zahlreiche Teppiche und Stücke aus China bestätigen den engen Kontakt zum achaimenidischen Persien und China. Der früheste bekannte Teppichfund stammt aus Pazyryk und ist ins 5. Jh. v. Chr. zu datieren.

Vermutlich von China kommend überschritten die Skythen im 8. Jahrhundert v. Chr. den Kaukasus, nachdem sie die Kimmerier aus dem Nordschwarzmeerraum vertrieben hatten. Danach drangen sie in uratäisches Gebiet ein und sind ab dem 7. vorchristlichen Jahrhundert als gefürchtete Vormacht berittener Bogenschützen im Orient bekannt, wie z.B. Schriften des assyrischen Königs Asahaddon belegen. Im 6. Jahrhundert ziehen sie sich schließlich wieder über den Kaukasus in die nordpontische Steppe zurück, wo sie im 5. und 4. Jahrhundert mit den griechischen Apoikien (Pflanzstädten) der Schwarzmeerküste in Kontakt kommen. Zahlreiche Goldfunde und Münzen mit skythischen Motiven zeugen von dem Reichtum, den der rege Handel mit Griechenland den dort ansässigen „Galaktophagen“ (griech. „Milchesser“), wie die Griechen diese Menschen zu nennen pflegten, bescherte. Die skythische Kultur findet ihr Ende im 3. Jahrhundert v. Chr., als die Saken von den Wusun vertrieben und überlagert werden und die Skythen in Südsibirien den Xiongnu sowie im Nordschwarzmeerraum den Sarmaten weichen müssen. Im 2. Jh. v. Chr. ist ihre materielle Kultur so gut wie verschwunden und wird von der der Sarmaten vollständig assimiliert.

Literatur: Parzinger, Hermann: Die Skythen, Nördlingen 2009