Hirschsteine in der Mongolischen Steppe

Hirschsteine in der Mongolischen Steppe

Als „Hirschsteine“ werden Steinstelen bezeichnet, die sich im gesamten Steppengürtel, vor allem jedoch in der Mongolei und dem Altai finden. Insgesamt sind über 600 Stück dieser steinernen Monumente bekannt. Trotz Datierungsschwierigkeiten werden die Stelen meist in die Phase des Übergans der Bronze- in die frühe Eisenzeit datiert. Häufig sind in ihre Oberflächen kunstvoll stilisierte Petroglyphen in Hirschform eingraviert, woraus sich ihr Name ableitet. Die Hirschmotive lassen Ähnlichkeiten zum sogenannten skytho-sibirschen Tierstil deutlich erkennen. Die Stelen sind meist schematisch anthropomorph gearbeitet, d.h. es ist eine Kopf-, Rumpf- und Unterkörperpartie erkennbar. In der Mitte ist i.d.R. ein Gürtel dargestellt, an dem Waffen, Werkzeuge und Spiegel erkennbar sind.

Die genaue Funktion der Hirschsteine ist bislang nicht zweifelsfrei geklärt. Da sie so gut wie immer in Zusammenhang mit Begräbniskomplexen (Steinkistengräber oder Kurgane mit Steinpanzer) auftreten, ist ihr Bezug zum Begräbnisritus wahrscheinlich. Eine Funktion als Grabstein, der den Verstorbenen darstellt, ist ebenso denkbar wie die eines Gedenksteines, der einen mythischen Urahnen zeigt. Da bei manchen der Hirschsteine verkohlte Knochen- und Essensreste gefunden wurden, liegt die Vermutung der rituellen Nutzung als Altar (z.B. für Tieropfer) nahe. In Hinblick auf die eingravierten Hirsche, die teils wie vogelartige Mischwesen wirken, ist in der Wissenschaft die Annahme verbreitet, dass die Steine einen Transformationsprozess – nämlich jenen von der dies- in die jenseitige Welt – manifestieren und darstellen sollen. Dies würde ihr Vorkommen im Rahmen von Begräbniskomplexen plausibel erklären.

Literatur:
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