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Tonmodelle als Spielzeug aus skythenzeitlichen Kindergräbern.

[peg]Über die Behausung der eisenzeitlichen Nomaden wissen wir von Herodot, dass die Skythen in einer Art Wohnwagen lebten. Wagenkonstruktionen sind aus den Permafrostgräber der Pazyryk- Kultur im Altai sowie durch Miniaturfigürchen aus Ton bekannt. Letztere zeigen liebevoll gestaltet verschiedenste Modelle, die von Ochsen gezogen wurden und mehreren Personen Platz boten.

Zudem dürften die Nomaden einfache Zelte besessen haben, über die man allerdings nichts weiß. Eine Felsritzzeichnung der Tagar-Kultur (9.-3. Jh. v. d. Z.) im Minussinsker Becken zeigt eine Szene, in der neben Blockhütten auch halbkugelige Behausungen mit einem oberen Aufsatz zu sehen sind.

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Petroglyphen der Tagar-Kultur

 

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Wandmalerei aus einer bosporanischen Grabkammer. Sie datiert ins 1. Jh. n. d. Z. und zeigt höchstwahrscheinlich eine Jurte.

 

Grab des Anthesterios

Wandmalerei aus dem Grab des Anathestrios, Kertsch, Krim. Die Datierungen reichen von späthellenistisch 3. Jh.v.d.Z. bis Ende/Anfang 1. Jh.v.d.Z. Aufbewahrungsort unbekannt.

Genau lässt sich die Konstruktion nicht bestimmen, da sich nicht erkennen lässt, ob die Zelthaut durch Stangen oder ein Scherengitter gehalten wird, doch aufgrund der äußeren Form, die den heutigen kirgisischen und kasachischen Jurtentypen stark ähnelt, ist von einer Jurte auszugehen.

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Kasachische Jurten

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Mongolische Ger

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Kasachische Jurten auf einer historischen Abbildung

 

Das Bild als Grundlage nehmend haben wir uns entschlossen, eine Jurte wie auf der Wandmalerei zu erkennen ist, zu bauen. Die äußere Form übernahmen wir von der Abbildung, während wir bei der Konstruktion (Scherengitter, Dachkranz, Dachstangen, Tür etc.) auf ethnographisches Material heutiger Jurten zurückgreifen mussten, da die Fundlage hier keine Rückschlüsse erlaubt. Vorbilder suchten wir in Kasachstan und Kirgistan, da hier die Jurten (im Gegensatz zu z.B. den mongolischen „Ger“) ein sehr steiles Dach mit aufgesetztem Halbkreis zur Belüftung aufweisen, wie es auch auf der Wandmalerei zu erkennen ist.

Die Jurte besteht aus drei Scherengittern (Khana,insgesamt ca. 90 Stäbe), einer Tür, 40 Dachstangen, einem Dachkranz sowie unzähligen Metern Seil, das zur Verschnürung notwendig ist. Jedes Segment lässt sich zerteilen, sodass es platzsparend transportiert werden kann. Bei den Materialien mussten wir transport- und klimabedingte Kompromisse eingehen. Über die ursprünglich verwendeten Materialien weiß man nichts, doch es ist anzunehmen, dass ähnliche Stoffe wie bei traditionellen Jurten eingesetzt wurden: Leder, Filz, Holz, Seil und Wolle. Eine so konstruierte Jurte würde jedoch ca. 300 kg wiegen, was für uns transporttechnisch ein Problem dargestellt hätte. Deshalb kam statt Holz beim Scherengitter und den Dachstangen Bambus zum Einsatz. Einen weiteren Kompromiss mussten wir beim Material für die Zelthaut eingehen: auch hier wäre eine Kombination aus Filz und Leder nicht nur sehr schwer geworden, sondern hätte im feuchten mitteleuropäischen Klima angefangen zu faulen und zu schimmeln und Ungeziefer angezogen. Diese Erfahrung machten diverse Jurtenbesitzer, die sich traditionelle Gers aus der Mongolei nach Deutschland holten und feststellen mussten, dass das klassische Material nicht für unsere Breitengrade geeignet ist. Deshalb haben wir unsere Jurte mit einem „Zwiebelsystem“ aus vier verschiedenen Zelthäuten mit je ca. 42m² versehen. Damit können wir sie an verschiedene Witterungsbedingungen anpassen. Die äußerste Schicht besteht aus Stoff, unter der eine Plastikplane liegt, damit die Jurte bei Regen dicht ist. Darunter liegt eine Schicht mit dickem Stoff, um vor Kälte zu schützen. Von innen wird alles von einer weiteren dünnen Stoffschicht abgedeckt, sodass von innen keine modernen Materialien zu sehen sind. Der Aufbau mit allen Schichten dauert exklusive Einrichtung mit vier Personen ca. drei Stunden.

Literatur:
Seipel, W. (Hg.): Gold der Steppe. Fürstenschätze jenseits des Alexanderreichs, 33.

Eigenbau der Jurte

Im Winter 2012/13 haben wir uns am Bau einer kleinen (4m Durchmesser) Jurte versucht.

Die Bambusstangen für das Scherengitter (Khana) wurden alle auf Länge gesägt und an den Gelenkpunkten (8 je Stange) durchbohrt und zusammengebunden. Um nicht jede Stange und jeden Gelenkpunkt einzeln ausmessen zu müssen, habe ich mir erst einmal eine Säge- und Bohrleere aus einer Dachlatte gebaut.

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Bohrleere für Stangen der Scherengitter

Hier ist die Bambusstange bereitszugesägt und in die Bohrleere eingelegt.

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Bohrleere mit Bambusstange

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Jetzt noch die Löcher bohren.

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Scherengitter

Hier ein halbfertiges, zusammen geknotetes Scherengitter.

Zusammengeklappt ist eine Khana ca. 60 cm breit. Auseinandergezogen ca. 4,50 m lang und 1,50 m hoch.

Drei Gitter ergeben dann (mit Tür) einen Kreis von ca. 12,50 m Umfang bzw. ca. 4 m Durchmesser.

Hier noch ein Link zu einer Seite mit einem sog. „Yurt-Calculator“. Man gibt Durchmesser, Höhen usw. ein und das Tool errechnet automatisch das benötigte Material: Anzahl und Längen der Stangen, Zuschnitt und qm der Bespannung usw.

Einfach genial!

 

Erster Probeaufbau – März 2013

Und dann ging’s ans Nähen.
Ca. 42 m² Stoff mussten in Form gebracht und aneinander genäht werden …

Zweiter Probeaufbau – Mai 2013

Der erste Einsatz erfolgte beim Römerfest auf der Haselburg im Juni 2013.