Spiegel

Ak-Alacha 3, Ukok Plateau („Eisprinzessin“): Rekonstruktion der vergoldeten hölzernen Spiegelrückseite

Spiegel finden sich in vielen skythenzeitlichen Gräbern des 5. bis 2. Jahrhunderts v. Chr. in Sibirien und Mittelasien. Die meisten der heute noch erhaltenen Spiegel stellen Grabimitationen dar, d.h. eigens für den Bestattungsritus und die Grabbeigabe angefertigte Stücke aus Holz, unbearbeiteter Bronze oder vielfach reparierte und defekte Spiegel. Manchmal wurde ein Spiegel bei der Bestattung auch zerbrochen und seine Einzelteile mit ins Grab gegeben. Sie sollten dem Verstorbenen auch in der jenseitigen Welt zur Verfügung stehen. Es ist anzunehmen, dass die Spiegel neben ihrem Wert als Gebrauchsgegenstand auch eine magisch-rituelle Funktion für die Nomaden hatten. Oft waren sie auf der Rückseite mit theriomorphen Motiven geschmückt, die Huftiere (wie z.B. Hirsche oder Widder) oder Raubtiere (wie z.B. Bären oder Fabelwesen) zeigten. Diese Darstellungen stehen wahrscheinlich im Zusammenhang mit dem in ganz Mittelasien weitläufig bekannten Mythos der „Kosmischen Jagd“: ihm zufolge verschlingt ein Raub- oder Fabeltier in regelmäßigen Abständen ein Huftier – in der Regel einen Hirschen –, welches den Mond symbolisiert. Seinen Ausdruck findet dieser Mythos in einer Mondfinsternis.

Das prominente Auftreten von Spiegeln in allen Kulturarealen der eisenzeitlichen eurasischen Steppe weist unabhängig vom semantischen Gehalt der Bildinhalte auf ihrer Rückseite auf ihre wichtige symbolische Funktion im Leben der Nomaden hin.
Literatur:
Kubarev, Vladimir D. (1996): Spiegel asiatischer Nomaden als religionsarchäologische Quelle. Eurasia Antiqua 2: 320-345.