Archive for the category "Allgemein"

News from the Taman-Peninsula

Kimmerischer Bosporus und Taman-Archipel, 500 BC

Kimmerischer Bosporus und Taman-Archipel, 500 BC

Am 10.11.2015 war AD in einem Vortrag im RGZM in Mainz. Dr. Udo Schlotzhauer berichtete von neuen Ausgrabungs- und Forschungsergebnissen eines russisch-deutschen Projekts auf der Taman-Halbinsel, speziell über Golubitskaya 2. In diesem Zusammenhang wurden auch umfangreiche geoarchäologische Untersuchungen durchgeführt, deren Ergebnisse die bis jetzt vorherrschende Lehrmeinung über die Küstenverläufe des östlichen Kimmerischen Bosporus und dessen Umgebung fast vollständig in Fragen stellen. Offenbar lagen Siedlungen nicht, wie bisher angenommen im “indigenen Hinterland”, sondern an einem zweiten, von den Forschern Kuban-Bosporus” getauften, Schifffahrtsweg ins Asovsche Meer und waren ebenfalls griechische Gründungen und keine indigenen Siedlungen. Scheinbare Widersprüche in zeitgenössischen Beschreibungen dieser Gegend (z. B. bei Strabon) lassen sich somit erklären und auflösen. Dies bedeutet aber auch, dass die Namensgebung derzeitiger Fundorte und Ausgrabungsplätze (z. B. Hermonassa und Phanagoreia) höchstwahrscheinlich nicht stimmen. Im Gegensatz zu den westlich des Kimmerischen Bosporus gelegenen antiken griechischen Siedlungen wie z. B. Pantikapaion sind die Namensgebungen der östlichen Fundplätze reine Vermutungen der Archäologen und bisher durch keine harten Fakten, wie z. B. Inschriften, belegt. D. h. an dem Fundort “Hermonassa” wird zurzeit eine Siedlung ausgegraben, die wahrscheinlich gar nicht Hermonassa war! Daraus folgt auch, dass das ursprüngliche Kerngebiet griechischer Siedlungstätigkeit ab dem 7. J. v. d. Z. sich offenbar viel weiter nach Osten erstreckte als bisher angenommen. Die antike Küstenlinie der Taman-Halbinsel liegt heute dagegen im Festland und zwischen dem Kimmerischen Bosporus und dem Neuentdeckung Kuban-Bosporus erstreckte sich ein ausgedehntes Archipel, das allmählich durch den Sedimenteintrag des Kuban verlandete.

Auf Nachfrage bestätigte Herr Dr. Schlotzhauer, dass zurzeit intensiv entlang der “virtuellen” Küstenlinie nach Siedlungsresten gesucht wird und auch bereits erste vielversprechende Ergebnisse gebracht hat. Man darf also in Zukunft auf weitere spannende Entdeckungen gespannt sein!

Die Forschungsergebnisse sollen nächstes Jahr ausführlich veröffentlicht werden.

Näheres findet sich auch in verschiedenen Publikationen von Herrn Dr. Schlotzhauer auf academia.edu

Deer-Stones

Hirschsteine in der Mongolischen Steppe

Hirschsteine in der Mongolischen Steppe

Als „Hirschsteine“ werden Steinstelen bezeichnet, die sich im gesamten Steppengürtel, vor allem jedoch in der Mongolei und dem Altai finden. Insgesamt sind über 600 Stück dieser steinernen Monumente bekannt. Trotz Datierungsschwierigkeiten werden die Stelen meist in die Phase des Übergans der Bronze- in die frühe Eisenzeit datiert. Häufig sind in ihre Oberflächen kunstvoll stilisierte Petroglyphen in Hirschform eingraviert, woraus sich ihr Name ableitet. Die Hirschmotive lassen Ähnlichkeiten zum sogenannten skytho-sibirschen Tierstil deutlich erkennen. Die Stelen sind meist schematisch anthropomorph gearbeitet, d.h. es ist eine Kopf-, Rumpf- und Unterkörperpartie erkennbar. In der Mitte ist i.d.R. ein Gürtel dargestellt, an dem Waffen, Werkzeuge und Spiegel erkennbar sind.

Die genaue Funktion der Hirschsteine ist bislang nicht zweifelsfrei geklärt. Da sie so gut wie immer in Zusammenhang mit Begräbniskomplexen (Steinkistengräber oder Kurgane mit Steinpanzer) auftreten, ist ihr Bezug zum Begräbnisritus wahrscheinlich. Eine Funktion als Grabstein, der den Verstorbenen darstellt, ist ebenso denkbar wie die eines Gedenksteines, der einen mythischen Urahnen zeigt. Da bei manchen der Hirschsteine verkohlte Knochen- und Essensreste gefunden wurden, liegt die Vermutung der rituellen Nutzung als Altar (z.B. für Tieropfer) nahe. In Hinblick auf die eingravierten Hirsche, die teils wie vogelartige Mischwesen wirken, ist in der Wissenschaft die Annahme verbreitet, dass die Steine einen Transformationsprozess – nämlich jenen von der dies- in die jenseitige Welt – manifestieren und darstellen sollen. Dies würde ihr Vorkommen im Rahmen von Begräbniskomplexen plausibel erklären.

Literatur:
Brentjes, Burchard (1996): „Frühe Steinstelen Sibiriens und der Mongolei.“ Central Asiatic Journal 40: 21-55.
Fitzhugh, William W. (2009): „Stone Shamans and Flying Deer of Northern Mongolia. Deer Goddess of Siberia or Chimeria of the Steppe?“ Arctic Anthroplogy 46 (1-2): 72-88.
Jacobson, Esther (1993): The Deer Goddess of ancient Siberia. A Study in the Ecology of Belief (Studies of the history of Religions vol. LV). Leiden, New York und Köln: E.J.Brill.
Savinov, D.G. (2009): „On the Interpretation of Central Asian and South Siberian Rock Art.“Archaeology, Ethnology and Anthropology of Eurasia 37 (2): 92-103.
Wang, Bo (2001): „Hirschsteine in Xinjiang.“ Eurasia Antiqua 7: 105-131.