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Bezüglich der Herkunft der Alanen oder Alani gibt es zurzeit zwei Hypothesen. Nach der ersten haben sich die Alanen bereits als Zusammenschluss verschiedener sarmatischer Stämme gebildet, die bereits in den Steppen des östlichen Russland lange bevor der Völkerwanderungszeit lebten und somit bereits vor dem namentlichen Erscheinen solcher Gruppen in römischen Quellen. Nach der zweite Hypothese, kamen die Alanen aus Zentralasien und haben die indigenen Stämme der Sarmaten unterworfen und verdrängt. Was immer auch richtig ist, so stimmen alle Forscher darin überein, dass die Alanen in römischer Zeit in der pontisch-kaukasischen Steppe lebten und einen Zusammenschluss verschiedener iranisch sprechender Völker von indigener oder östlicher Herkunft umfassten.

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Plinius der Ältere (Historia Naturalis IV, 25, 80) war der erste römische Autor, der die Alanen nördlich des Schwarzen Meeres ansiedelte. Allerdings erwähnt sie Seneca (Thyste, Akt IV, Szene 1), etwa zur Zeit Neros‘ Regentschaft, als Gegner des Reichs an der Donau. Josephus (Titus Flavius Josephus, War of the Jews VII 7, 4) spricht von einer alanischen Invasion im Jahre 72 ausgehend von Meothide 1 am Azovschen Meer durch Transkaukasien bis in den Nahen Osten. Andere Berichte vor der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts sind vage und unzuverlässig.

Die räumliche Ausbreitung reicher sarmatischer Gräber mit zoomorphigen Objekten im „goldtürkisen“ Stil ist eine der bemerkenswertesten Manifestationen der Migration von Nomaden im ersten Jahrhundert. Die stilistische Verwandtschaft zwischen den pontischen und asiatischen Objekten erlaubt die Vermutung, dass sie in der gleichen Handwerkertradition standen. Bei anderen Objekten aus diesen Gräbern tauchen kulturelle Elemente mit östlicher Herkunft auf: Pfeile, Schildplatten, Schwerter, chinesische Spiegel. All dies zeigt, dass es enge Bande zwischen der Kriegerelite der pontisch-kaukasischen Steppe und den asiatischen Ursprüngen gegeben haben muss.
Wir können somit folgern, dass die Alanen, zu Beginn ihrer Geschichte, eher eine soziale Gruppe von Kriegern darstellten als ein „Volk“. Als Kämpfer könnte diese Gruppe im Dienst verschiedener Barbarenkönige tätig gewesen sein, vom Schwarzen Meer bis nach Zentralasien. Eine solche Kriegerkaste hatte somit auch ihre eigene aristokratische Kultur, ihre eigenen Moden und Stile, deren Spuren wir in dem weiten Spektrum von Prestigeobjekten von orientalischem Ursprung finden. Später mag der Name „Alanen“ dann von den Völkern, in deren Diensten sie ihre militärischen Aktivitäten entfalteten, übernommen worden sein. Während des zweiten und dritten Jahrhunderts wurden die Alanen zunehmend zur bestimmenden Macht in der pontischen Steppe, was dazu führte, dass die Namen anderer nomadischer Völker des östlichen Europa aus den schriftlichen Quellen verschwinden.
Der Zeitraum des dritten Jahrhunderts ist gekennzeichnet durch Unruhen im gesamten Süden Osteuropas, vom Kaukasus bis zum Danube (Donau). Gerade die Verwüstungen der Jahre 230 – 250 werden einerseits den Germanen (allen voran den Gothen) oder den Alanen und anderen sarmatischen Stämmen zugeordnet. Es ist folgerichtig anzunehmen, dass die Germanen und die iranisch sprechenden Barbaren zusammen gearbeitet haben. Es waren wahrscheinlich die Alanen und/oder Sarmaten, die entscheidend zur Verschärfung der militärischen Situation an der östlichen Grenze des Königreichs am kimmerischen Bosporus beitrugen. Um 239, durch Münzfunde bestätigt, wurde die Bosporusstadt Gorgippia und das befestigte Lager von Raevskoe, beide an der Bosporusküste gelegen, zerstört. Während der Mitte des dritten Jahrhunderts wurden die befestigten Niederlassungen und reichen Nekropolen (der berühmte „Goldene Friedhof“) der Einwohner von Kuban verlassen. Zur gleichen Zeit wurden die Niederlassungen der Skythen am unteren Dnieper ebenfalls verlassen und ihre Einwohner zogen westwärts durch die Steppen zwischen der Dniester und dem Danube.
Im zweiten Drittel des dritten Jahrhunderts und in der ersten Hälfte des vierten Jahrhunderts werden zwei Invasionen ins Transkaukasische von georgischen – allerdings deutlich später entstandenen – Quellen besonders erwähnt. Die Zuverlässigkeit solcher mittelalterlichen transkaukasischen Informationen ist schwer zu bewerten, zumal sie eindeutig später nach den Ereignissen neidergeschrieben wurden. Sie enthalten sicherlich einige Details, die schwer zu beweisen sind. Auf jeden Fall kann gesagt werden, dass die Menschen in Transkaukasien in der römischen Ära Kontakt zu den iranisch sprechenden Nomaden des nördlichen Kaukasus hatten.
Die gothische Föderation, die in den Gegenden der heutigen Ukraine und Rumäniens auftauchte, schnitt die sarmatische Welt in zwei Teile. Die Alanen am Don (Tanaïtis) bildeten eine politische Einheit, inwieweit sie irgendwelche Kontakte mit den Gothen hatten, ist unbekannt. Gegen Westen wurden die „europäischen“ Alanen wahrscheinlich der gothischen Union einverleibt.
Während der zweiten Hälfte des vierten Jahrhundert tauchen drohend die Hunnen am östlichen Rand Europas auf. Die Alanen am Don (Tanaïtis) werden geschlagen und in die Föderation der hunnischen Völker eingebunden. Während der hunnischen Ära verbleibt eine bedeutende Gruppe der Alanen in den Steppen des nördlichen Kaukasus zwischen Kuban und dem Fluss Terek. Die Nekropole von Brut in Nordossetien ist ein klassisches Beispiel dafür. Zwei Kurgane, oder Grabhügel, aus dieser Nekropole gaben Grabkammern frei, die bereits in der Antike geplündert worden waren. Trotzdem wurden einige versteckte Stellen in der Nähe des Dromos (Eingangstunnel) von den Dieben übersehen und gaben eine beträchtliche Anzahl an Luxusobjekten frei. Diese reich ausgestatteten Grabkammern des Zentralkaukasus beleuchten ein neues Phänomen: die Bildung von Machtzentren an den Verbindungswegen, die den Hauptkamm des Kaukasus kreuzen.
Die hunnische Invasion löste ebenso den Abzug bestimmter Gruppen von Alanen Richtung Westen aus. So kam es, dass sich eine Gruppe von hunnischen, ostgotischen und alanischen Kriegern, angeführt von Alatheus und Saphrax (letzterer trägt einen iranischen Namen), sich den Westgoten im Jahre 376, bei ihrem Exodus in das Gebiet des Römischen Reichs, anschlossen. Während der Schlacht von Adrianopel war es die hunnische, ostgotische und alanische Reiterei, die eine Schlüsselrolle bei der Niederlage der römischen Armee spielte. Im Jahre 378 etablierten sich die berittenen Truppen des Alatheus und Saphrax als Föderaten des Reichs in Pannonien. Es ist nicht unmöglich, dass diese Truppen an der berühmten Wanderung der Vandalen, Sueben und Alanen nach Westen beteiligt waren. In der Tat wird davon berichtet, dass isolierte Gruppen von Alanen im letzten Drittel des vierten Jahrhunderts und im fünften Jahrhundert als Hilfstruppen im Dienste Roms gestanden haben. Wir sollten ihre Anzahl und Rolle im Weströmischen Reich nicht überbewerten, doch spielten diese Elitetruppen von Zeit zu Zeit eine wichtige oder sogar entscheidende Rolle in den nicht enden wollenden Kriegen zur Zeit der großen Völkerwanderungen. Die wichtigste Episode der Alanen im Westen ist aber die Invasion Galliens und Hispaniens gemeinsam mit den Vandalen und Sueben in den Jahren 406 – 409. Wie bekannt ist, überquerten die Barbaren am 31. Dezember 406 den zugefrorenen Rhein in der Nähe von Mainz und hinterließen drei Jahre lang eine Spur der Verwüstung in Gallien. Städte wie Mainz, Strasbourg, Reims und Amiens wurden vernichtet; dann wandten sich die Barbaren zur Loire, überquerten sie nahe bei Orleans und zogen weiter um Aquitanien zu verwüsten. Die Alanen, die in Gallien eintrafen, trennten sich in zwei Gruppen: eine wurde angeführt von Goar und blieb in Gallien im Dienste Roms, während die andere, angeführt von Respendial, mit den Vandalen und Sueben verbündet blieb und mit diesen im Jahr 409 nach Spanien weiterzog.
Die Alanen, soweit sie in Gallien blieben, spielten eine führende militärische Rolle während der gesamten ersten Hälfte des fünften Jahrhunderts, obwohl die materiellen Spuren und hinterlassenen Ortsnamen nicht eindeutig und schwer zu interpretieren sind.

Alanische Funde in Gallien

Archäologische Hinweise auf Alanen in Gallien

Bernard S. Bachrach interpretiert in seiner Abhandlung über die Geschichte der Alanan im Westen (Bernard S. Bachrach, The History of the Alans in the West, University of Minnesota Press, Minneapolis 1973) verschiedene ehemalige bzw. noch vorhandene französische Ortsnamen als ursprünglich alanisch: Alan südlich von Toulouse; Alos, Algans, Alaigne, Moulin de Lange, Lanet, Lansac zwischen Toulouse und Narbonne; Alancianus und Alenya südlich von Narbonne an der Mittelmeerküste. Die Alanen sollten dort vermutlich als Schutztruppen die wichtigen römischen Verbindungsstraßen zwischen Norditalien und Spanien und die Routen von der Küste ins gallische Hinterland sichern. Nach der Überquerung des Rheins haben sich einige Alanen auch im Nordosten Galliens zwischen Paris, Tournai, Trier und Langres als Schutztruppen niedergelassen und schützten die wichtigen Routen vom Rhein nach Gallien. Ebenso südwestlich der Seine zwischen Paris und Orleans und in Norditalien als Schutz für die Alpenpässe. Zahlreiche Ortsnamen verweisen nach Bachrach auf alanische Niederlassungen: Aillianville, Alaincourt (gleich 3x), Alain, Halaigncourt, Alaincourt-la-Coté, Allamont, Allancourt, Alland ´huy, Allaines (2x), Allains, Allainville-en-Drouais, Allainville-aux-Bois, Allainville-en-Beuce. In Italien: Mt. Rosa Alagna, Alagna, Alagna Lomelina, Allegno, Alano di Piave.
Viele nachgewiesene frühere mittelalterliche Namen der vorgenannten Orte geben noch deutlichere Hinweise (siehe a.a.O.). Andere Ortsnamen verweisen auf eine noch frühere Besiedlung durch in Gallien und Norditalien (vermutlich durch die Alanen vertriebene) eingewanderte Sarmaten: Sarmato und Sarmarate in Norditalien; Sermaise, Sermoise, Sermiers und Sermaize-les-Bains in Gallien.
Im Jahre 411 unterstützten Goars Truppen die Proklamation des Usurpators Jovinus in Mainz; im Jahre 414 werden die Alanen im Zusammenhang mit den Kriegen der Römer gegen die Westgoten in Südgallien erwähnt. In den 440er Jahren etablieren sich zwei Gruppen von Alanen unmittelbar bei Valencia in Verbindung mit einigen in der Nähe von Orleans unter dem Schutz von Aetius, dem Militärgouverneur in Gallien. Wir wissen nicht ob und in welchem Ausmaß Verbindungen zwischen diesen Alanen und jenen, die in die Kriege der Jahre 406 – 414 verwickelt waren, bestanden haben. Auf jeden Fall bildeten Sie einen Teil des Verteidigungssystems in Gallien, das Revolten der gallisch-römischen Bevölkerung niederschlagen und das Land gegen auswertige Feinde verteidigen sollte.

Schlacht auf den Katalaunischen Feldern

Schlacht auf den Katalaunischen Feldern

Unter der Führung von Sangiban kämpften die Alanen Seite an Seite mit den Römern in der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern gegen Attila, obwohl ihre Loyalität einigermaßen in Zweifel gezogen wurde.

Um 460 partizipierten die Alanen, angeführt von ihrem König Beorgor, von den Kriegen in Gallien und verließen das Land Richtung Italien. Dort ist im fünften Jahrhundert die Anwesenheit alanischer Soldaten in hohen Rängen der römischen Armee gut dokumentiert. In Gallien dagegen verschwinden die Alanen nach 461 aus den schriftlichen Quellen.
Diejenigen, die in Hispania eintrafen, ursprünglich angeführt von Respendial, nun ersetzt durch Addac, verbünden sich im Jahr 429 mit den Vandalen und Sueben. Sie spielten eine dominante Rolle in dieser Allianz. Die Barbaren teilten das eroberte Land auf mit dem Ergebnis, dass die Alanen den mittleren Teil mit den Provinzen Lusitania und Charthageniensis in Besitz nahmen. Geschlagen von den Westgoten, die aus Aquitanien in den Jahren 416 – 418 eintrafen, waren sie jedoch gezwungen sich unter den Schutz der Vandalen zu stellen, deren König sich von nun an rex Vandalorum et Alanorum nennen durfte. Im Jahre 429 verließen die Alanen schließlich Spanien und folgten den Vandalen bei ihren weiteren Eroberungen nach Nordafrika. Fortan sind sie von den Vandalen nicht mehr zu unterscheiden. Die Afrika-Alanen sind nicht mehr als eigene Einheit in schriftlichen Aufzeichnungen präsent und sonstige Nachweise, die sie identifizieren könnten, sind bislang nicht gefunden worden.

1 Heute Mariupol, Hafen am Azovschen Meer, Ukraine.

Literatur: Englischer Originaltext aus dem gleichnamigen Katalog zur Ausstellung: „Rom und die Barbaren. Europa zur Zeit der Völkerwanderung.“
Bachrach, Bernard S.: A History of the Alans in the West. From Their First Appearance in the Sources of Classical Antiquity through the Early Middle Ages, Minneapolis 1973.